Der Geiger
Meine Erinnerung ist noch ganz lebhaft: ich muss etwa drei Jahren alt gewesen sein. Mein Vater spielte mit Freunden Quartett. Mit zwei Holzstäben imitierte ich die Streichbewegungen und war intensiv ins „Mitspielen“ versunken.So merkte ich nicht, dass die Musiker zu spielen aufgehört hatten, um mich in meiner kindlichen Hingabe zu beobachten. Als ich plötzlich doch merkte, dass ich da allein und lautlos dahinfiedelte, muss mir Schamesröte in die Wangen gestiegen sein darüber, dass ich nur „Theater“ spielte und nichts klang!
In meinem Inneren hatte sich allerdings offenbar schon eine Klangvorstellung gebildet, der Geigenklang liess mich nicht mehr los!
In meiner Heimatstadt Kapfenberg genoss ich eine recht gute musikalische Ausbildung an der Musikschule. Neben Geige lernte ich in jungen Jahren Klavier, Harmonie -, Formenlehre und Kontrapunkt. Und es gab Jugendorchester und – chöre, Kammerensembles und – vielleicht das Wichtigste: sehr viele Anlässe, bei Feiern, kirchlichen Anlässen und in Konzerten aufzutreten. Die Erinnerung an diese Auftritte wärmt noch heute mein Herz. Sie waren immer getragen von einem Gefühl des „gemeinsam den Zuhörern mit Musik Freude zu bereiten“.
Mittlerweile habe ich über Jahrzehnte erlebt, dass das Musikleben auch Marktgesetzen gehorcht. Ich habe den Druck von Wettbewerben kennengelernt, den Stress von Tourneen und Reisen, die Freuden und Anstrengungen des Unterrichtens, mit Orchestern und vielen Musikern zusammengearbeitet, Geigenspiel mit anderen Künsten – Tanz, Literatur und Malerei konfrontiert und verbunden. Wie wir alle habe auch ich von Lehrern gelernt, aber ebensoviel von Kollegen, Ensemblepartnern und Studenten und durch das Publikum. Besonders aber auch von Komponisten, die mir halfen, über ihre eigenen neuen Werke die Kompositionen der alten Meister aufzuschlüsseln.
Was bereitet mir jetzt noch am Geigenspiel unvermindert Freude?
Die vielfältigen wunderbaren Botschaften unseres Geigenrepertoires und die Möglichkeit, sie unseren Musikliebhabern nahezubringen und ihnen damit Lebensenergie zu schenken, einmal durch einen aufbauenden, einen heilenden Klang, ein tröstenden , manchmal auch einen aufrüttelnden, mitunter gar schrillen Klang unserer Instrumente; Klänge, die ihnen ermöglichen, ihre Freuden wie auch ihre Schmerzen darin gespiegelt zu hören.
Und es macht mir grosse Freude, all das gemeinsam mit anderen Musikern zu erleben.